Petra: Beantragt haben wir unser Sabatical kurz vor Corona und unsere vagen Reisepläne gingen in Richtung Südostasien oder noch einmal Australien. Doch im Frühjahr 2021 zeichnete sich ab, dass das wohl pandemiebedingt nicht realisierbar sein würde. Auf das Unterwegssein wollten wir aber dennoch nicht verzichten, so dass wir den Rahmen des Möglichen mit einer Reise quer durch Europa ausgeschöpft haben. Dabei haben wir nicht allzu sehr im Voraus geplant, denn die Einreisebestimmungen für die jeweiligen Länder änderten sich wöchentlich. So entschieden wir kurz vor der kroatischen Grenze, dass wir doch lieber nach Ungarn fahren.
Aus diesem Grund haben wir die Länder völlig unbedarft bereist, kein langes Lesen im Reiseführer, sondern einfach irgendwohin fahren und gucken, wie es dort ist. Hilfreich war die App park4night, um kleine Camping- oder Stellplätze zu finden. So trafen wir in Rumänien auf einen engagierten jungen Mann mit Arbeitserfahrungen in England, der Großes mit einem halb verfallenen Haus vorhatte, aber auch dort fanden wir ein Klo, eine Dusche und eine tolle Aussicht. In Bulgarien standen wir im Garten einer jungen Famile und Kaja und Lilo nutzten zusammen mit der Tochter unserer Gastgeber die Seilbahnen zwischen den Bäumen. In der Nähe von Girona trafen wir auf ein junges Paar, die uns ein eigenes Bad in einer Gruppenunterkunft überließen. Wir haben überall in Europa nette Menschen getroffen, nicht alle habe wir immer verstanden, doch letztendlich hat die Kommunikation irgendwie funktioniert. Europäer ticken trotz der länderspezifischen Eigenheiten irgendwie ähnlich. Daher gab es kein Eintauchen in eine absolut fremde Kultur, sondern vielmehr die Bestätigung, dass das verbindene Element in Europa viel stärker ist als die nationalen Bestrebungen mancher Reigierungen uns Glauben machen.
Landschaftlich hat Europa einiges zu bieten, mein persönlicher Favorit ist Rumänien, dicht gefolgt von Slowenien und dem Süden der Toskana. Fast überall auf unserer Reise konnten wir weiter in die Ferne gucken als in Gütersloh und wir erblickten beeindruckte Panoramen.
Tim: Kulturell haben wir unseren Kindern das einiger andere Schmankerl zeigen können. Da wären zum Beispiel Städte wie Ljubljana, Budapest, Siena, Venedig, Barcelona, Granada und Córdoba. In den letzten knapp zwei Monaten auf den Kanaren waren die kulturellen Highlights naturgemäß etwas rarer, aber dafür haben wir das warme Klima im Winter sehr genossen. Ich selbst empfand die karge Landschaft - Lanzarote als größtenteils vulkanische Geröllwüste und Fuerteventura als sandig und aufgrund des hohen Saharastaubgehalts in der Luft (Calima) sehr diesig - nicht als langweilig, aber Kaja vermisste definitiv die mitteleuropäische Vegetation. Landschaftlicher Höhepunkt war für mich ebenfalls die Toskana mit Panoramen, die locker mit unseren Erlebnissen in Südafrika mithalten konnten. Enttäuscht waren wir nur von Griechenland, das sich - bezogen auf das Campinggewerbe - offenbar keine Mühe geben muss, um Touristen zufrieden zu stellen, ganz abgesehen von den unzähligen Betonruinen, die in der Landschaft stehen. Ausnahme und Geheimtipp ist dabei aber ein kleinerer Campingplatz in der Nähe von Delphi mit sagenhafter Aussicht.
Sehr interessant waren vor allem die Tage in Godinesti bei einem ehemaligen Kollegen, der sich zusammen mit seiner Frau in Rumänien als Kleinbauer eingerichtet hat. Wir konnten ein Gefühl dafür bekommen, was nötig ist, um einen möglichst geringfügigen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Dazu gehören beispielsweise die konsequente Wiederverendung von Verpackungsmaterialien, selbst hergestellte Waschmittel, Selbstversorgung durch Gemüseanbau und Tierhaltung (Ziegen und Hühner) uvm.
Corona-mäßig fühlten wir uns stets auf der sicheren Seite: Entweder haben wir an der frischen Luft gecampt, vorwiegend auf kleinen Campingplätzen, oder ein Appartment oder Häuschen mit Küche zwecks Selbstversorgung gemietet. Corona-Hotspots wie Hotels oder Touristenhochburgen bleiben wir so oder so fern.
Auch bei der Reiseroute haben geschaut, welche Länder bezüglich der Inzidenzen gerade gut zu bereisen sind und konnten davon profitieren, dass in den Großstädten touristisch recht wenig los war.
Man kann also sagen, dass wir erfolgreich eine halbjährige Auszeit genommen haben von der pandemischen Situation in Deutschland, dem deutschen Wetter und der hiesigen schulpolitischen Lage.
[Vollbildanzeige der gefahrenen Route]